Waschbären: Studie zeigt Ausbreitungsmuster in Deutschland und Europa

Wann, wie und wo hat sich der Waschbär (Procyon lotor) in Deutschland ausgebreitet? Eine neue Studie zeigt die Geschichte der Invasion. Foto: Paul Dierkes/Goethe-Universität

Im Rahmen des Verbundprojekts ZOWIAC (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) hat ein Frankfurter Forschungsteam mit Beteiligung der Goethe-Universität Jagddaten aus zwei Jahrzehnten und 398 deutschen Landkreisen wissenschaftlich ausgewertet. Ziel der Untersuchung war es, die verschiedenen Invasionsstadien des ursprünglich aus Nordamerika stammenden Waschbären in Deutschland zu identifizieren. Die Studie zeigt, dass Waschbären während ihrer Ausbreitung in Deutschland verschiedene Etappen durchlaufen. Besonders viele der maskierten Raubtiere gibt es in Nordhessen und Nordostbrandenburg, wo deren Ausbreitung aber mittlerweile stagniert. In anderen Regionen, wie im Südwesten Deutschlands, steckt die Verbreitung noch in den Anfängen. Die Forschenden betonen, dass ihre Methode nicht nur ein effektives Instrument für das Management invasiver Arten in der Bundesrepublik darstellt, sondern auch für andere Neozoen in Europa Anwendung finden kann.

Räumliche Muster der Invasionsstadien von Waschbären in der räumlichen Auflösung je Landkreis. Grafik: Senckenberg

Für die Untersuchung der Waschbär-Ausbreitung in Deutschland wertete das Forschungsteam rund um Erstautorin Dr. Sarah Cunze von der Goethe-Universität Frankfurt Jagdstatistiken aus, die regelmäßig von den zuständigen Behörden erstellt werden und als als zuverlässiger Indikator für langfristige Veränderungen bei Wildtierbeständen gelten. Neben den offiziell erlegten Tieren berücksichtigte die Analyse auch angezeigte Unfalltiere und Meldungen aus dem Forschungsprojekt ZOWIAC.

„Es zeigt sich, dass Waschbären während ihrer Ausbreitung verschiedene Phasen durchlaufen – von ersten Sichtungen über rasches Wachstum bis hin zur Stabilisierung auf hohem Niveau. Unsere neu entwickelte Methode ermöglicht es erstmals, diese Ausbreitungsphasen auf regionaler Ebene präzise zu erfassen“, legt Cunze dar. Die Analyse zeigt, dass die anfänglichen „Hotspots“ der Ausbreitung in Nordhessen (z.B. in Kassel) und in Nordost-Brandenburg lagen. Die Daten decken sich mit bekannten historischen Ereignissen: 1934 wurden zwei Waschbär-Zuchtpaare in der Nähe des Edersees in Nordhessen für Jagdzwecke freigelassen. Vermutlich kamen im Laufe der Zeit weitere absichtliche oder unbeabsichtigte Freisetzungen hinzu, die es ermöglichten, dass sich dort frühzeitig eine stabile Population etablieren konnte. Eine zweite Gründerpopulation in Brandenburg geht auf 25 Tiere zurück, die 1945 aus einer Pelztierfarm in Wolfshagen entkamen.

„In diesen Regionen befindet sich die Ausbreitung der vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiven Raubtiere in einer späten Phase der Invasion, in denen das Populationswachstum allmählich eine Sättigung erreicht oder sich bereits auf hohem Niveau stabilisiert hat und nur noch natürlichen Schwankungen unterliegt. In anderen Teilen Deutschlands, insbesondere im Südwesten, befindet sich der Waschbär dagegen noch in einer frühen Expansionsphase“, fügt Cunze hinzu.

„Ein besseres Verständnis der phasenabhängigen Entwicklung der Waschbärpopulationen schafft die Grundlage für wirksamere Kontrollmaßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung und zur Verringerung ökologischer Schäden“, fasst Prof. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe-Universität Frankfurt zusammen und empfiehlt: „Die Methode bietet einen praktischen Rahmen für die Bewertung der Invasionsdynamik und kann auf andere invasive und gebietsfremde Tiergruppen und benachbarte Länder übertragen werden. Unsere Studie trägt somit zu einem tieferen Verständnis von biologischen Invasionen bei und liefert wertvolle Erkenntnisse für eine effektivere Naturschutzplanung.“

Publikation: Cunze S., Schneider G., Peter N., Klimpel S. (2025) Linking patterns to processes: Using hunting bag data to classify raccoon (Procyon lotor) invasion stages in Germany since the 2000s. Ecological Indicators 175: 113568. https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2025.113568

Weitere Informationen: Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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